15.01.2020 |
Pro & Contra Betrachtung der Widerspruchslösung
Worum gehts?
Unsere moderne Medizin hat, vergleicht man sie mit den vergangenen Jahrhunderten – Jahrzehnten, Faszinierendes erreicht. Wir können mit Organspenden Leben retten. Diese Möglichkeit ist für viele Betroffene die einzige Chance ihr Leben zu leben. Am Donnerstag, den 16.01., entscheidet der Bundestag über die Widerspruchslösung nach der jeder potenziell Organ“spender“ wäre – es sei denn, er widerspricht. Dazu eine Pro- Contra- Betrachtung:
PRO
Jeder hat das Recht über seinen Körper zu bestimmen und sein Wille ist auch nach seinem Tod einzuhalten. Ein Grundsatz in dem sich wohl alle einig sind und mit dem auch klar ist, dass es eine freie Wahl gibt. Bei der Widerspruchslösung ist dieser Grundsatz des freien Willens gewahrt. Es geht aber eben nicht, um die Fälle, in denen eine Willensbekundung erfolgt ist, sondern um die, die keine Aussage getroffen haben. Fakt ist, dass es zu wenige Organe gibt und Fakt ist ebenso, dass die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung (auch die ohne Spenderausweis) für eine Organspende ist. Wäre es an der Stelle dann nicht auch sinnvoll dem Rechnung zu tragen und den Mehrheitswunsch zum Regelfall zu machen? Ich denke ja. Jeder der kein Spender sein möchte kann dies frei von Zwang bekunden und seinem Wille wird folge geleistet, alle anderen brauchen sich keinen Ausweis mehr besorgen und bei sich führen. Außerdem würde damit auch Angehörigen, die gerade einen Verlust erleiden eine quälende Entscheidung erspart, denn heute ist es so, dass es im Ermessen der Angehörigen liegt diese Entscheidung zu treffen, wenn derjenige selbst sich nicht eindeutig positioniert hat. Ob sie den Willen des Verstorbenen widerspiegelt kann heutzutage nur gemutmaßt werden, mit der Widerspruchslösung wäre eine klare Rechtslinie gegeben und Angehörige von dieser Entscheidung befreit.
Heike Schaumann
CONTRA
Die sogenannte Widerspruchslösung ist nicht weniger als die Abkehr vom Prinzip, dass „Schweigen keine Zustimmung“ ist – vielmehr wäre es dann so, dass jeder potenziell Organ“spender“ wäre – es sei denn, er widerspricht.
Nun ist jedoch die stillschweigende Zustimmung für das Fehlen eines Widerspruchs aus meiner Sicht nur eine Möglichkeit, eine andere wäre, der Betroffene hat es schlicht noch nicht geschafft, es wurde etwas verschlampt, er hat es immer wieder aufgeschoben. Nein, die Möglichkeiten, warum jemand, der eigentlich kein Spender sein will, noch keinen Widerspruch eingelegt hat, können vielfältig sein. Ist es ethisch vertretbar, diese Möglichkeiten unberücksichtigt zu lassen? Sich über den Willen eines Menschen hinwegzusetzen, weil dieser noch nicht gegenüber Behörden erklärt wurde? Ich denke NEIN! Mit der Widerspruchslösung wird nicht unerheblich mit moralischem Druck spekuliert: man muss gegenüber einem Dritten öffentlich erklären, dass man KEIN Spender sein will. Das ist deutlich schwieriger, als sich einen Organspenderausweis auszudrucken – ja zur Organspende zu sagen und den Ausweis bei sich zu tragen. Diese Verneinung der Spendenbereitschaft wird dann auch noch zentral erfasst, dokumentiert und abrufbar gemacht werden müssen, was zusätzliche Fragen hinsichtlich des Datenschutzes aufwirft. Auch die menschliche Trägheit ist ein Moment, mit dem die Widerspruchslösung ganz offen arbeitet. Es wird schlicht davon ausgegangen, dass die Menschen immer wieder Gründe finden, sich eben nicht zu erklären, eine Entscheidung vor sich hinschieben.
Und es stimmt ja auch, die Spendenbereitschaft ist wesentlich größer als die Anzahl der Menschen, die einen Organspenderausweis bei sich tragen – nur kann die Antwort darauf nicht sein, sich über das Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen zu erheben und das Zustimmungsprinzip umzukehren. Für mich ist die einzige ethisch richtige Lösung die bewusste Zustimmung „Ja ich bin bereit, Organspender zu sein“. Schon der Begriff Spende sagt es doch. Spenden ist ein „freiwilliges Geben“ und Freiwilligkeit ist in meinen Augen ein bewusstes Handeln.
Ja, auch ich wünsche jedem Menschen, der ein Spenderorgan benötigt, die Chance, dies zu bekommen, sein Leben weiterzuführen – doch es gibt sowenig das individuelle Recht auf den Erhalt eines Spenderorgans wie es die Pflicht gibt, Organspender zu sein. In meinen Augen wäre es Aufgabe von Medizin und Politik, mehr Menschen für die Bereitschaft zur Organspende zu überzeugen, sie zu gewinnen – und nicht mit einem ethisch höchst schwierigen Weg ein Problem lösen zu wollen, welches letztlich gar nicht in der Spendenbereitschaft selbst (denn die liegt bei über 80 %), sondern in einem strukturellen und personellen und auch zeitlichen Mangel im Bereich der Medizin und mangelnder Aufklärung begründet ist.
Jacqueline Krüger